Kommunikation des Herzens
"Das Leben ist kein Problem, das gelöst werden muss.
Es ist ein Rätsel, das gelebt werden will." M. Scott Peck
Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck
Aufgrund der aktuellen Lage und der Verordnung des Landes BW entfallen unsere Präsenz-Übungsabende bis auf Weiteres. Wir treffen uns online.
Sobald es wieder möglich ist, treffen wir uns zu den üblichen Zeiten, allerdings an anderem Ort:
Jeden 1. und 3. Dienstag im Monat, von 19:30 - 21:30 h findet unsere Übungsgruppe zur Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck statt. Vorerfahrung ist von Vorteil, aber nicht erforderlich.
Kosten: Keine. Spenden sind willkommen.
Ort: Im Rahmen des Bürgertreffs, Grabenstraße 20, 71665 Vaihingen/Enz (Nähe Marktplatz)
Meine Erfahrung mit dem Gemeinschaftsbildungsprozess:
Nach einigen Jahren Übungszeit in Gewaltfreier Kommunikation (Marshall Rosenberg) stieß ich 2013 auf die Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck. Ich las sein Buch, dessen Essenz mich sofort mitriss: Mit nur ca. 15 Empfehlungen gelänge es, jedwede Gruppe in nur einem Wochende Gemeinschaft erleben zu lassen, so seine Behauptung. Und das ganz ohne Leiter, Guru oder Therapeut. "Group of all leaders" - jeder sei für den Prozess selbst verantwortlich. Was für eine wundervolle Vision! Vier Stadien durchlaufe eine Gruppe, sinngemäß: 1. Pseudogemeinschaft: Jeder trägt seine Masken und verbirgt seine Wunden, heile Welt ist angesagt. 2. Chaos: Abwehrende Gefühle wie Ärger, Wut und Aggression brechen sich Bahn, es wird ins Außen projiziert, der andere ist falsch. 3. Leere: Die TeilnehmerInnen übernehmen die Verantwortung für diese Gefühle, gehen nach innen und die primären, abgewehrten Gefühle wie Trauer, Schmerz, Verletzung bekommen ihren Raum. Dies führt zum 4. Stadium, der authentischen Gemeinschaft: Die TeilnehmerInnen fühlen sich miteinander verbunden, sie kommunizieren authentisch und immer wieder gibt es auch längere Zeiträume unbeschwerter Stille. Als Vorgabe hat die Gruppe nur die Empfehlungen, sonst nichts. Keine weitere Struktur, ganz einfach und doch so anspruchsvoll. Manche Empfehlungen fallen mir leicht: z. B. "Sprich in Ich-Form", "Bleibe bis zum Ende der Runde", "Schließe ein - vermeide, jemanden auszuschließen" oder "Drücke dein Mißfallen in der Gruppe aus, nicht außerhalb". Anfangs gewöhnungsbedürftig war die Empfehlung "Sage deinen Namen, bevor du sprichst" . Immer wieder ein breites Lächeln ringen mir diese drei Empfehlungen ab: "Therapiere und doziere nicht", "Take a risk!" und "Höre aufmerksam und mit Respekt zu, wenn Dir eine andere Person etwas mitteilt. Formuliere nicht schon eine Antwort, während der andere spricht." Doch die größte Herausforderung, auch nach der langen Zeit des Übens, sind diese beiden: "Entdecke, was dich bewegt zu sprechen" und "Sprich, wenn du dazu bewegt bist, sprich nicht, wenn du dazu nicht bewegt bist".
Seit unserem ersten Wochenende in Vaihingen/Enz vor über fünf Jahren, dem weitere folgten, treffen wir uns regelmäßig 14-tägig in einer offenen Gruppe, und ich kann nicht genug kriegen von dieser wundervollen Weise des Zusammenseins.
Guha im November 2018
Gemeinschaftsbildung in Schloss Tempelhof
In Schloss Tempelhof, einer Lebensgemeinschaft von ca. 80 Menschen im Raum Schwäbisch Hall, wird dieser Prozess in regelmäßigen Abständen angeboten und durchgeführt und ist als grundlegende Technik aus diesem wagemutigen Gemeinschaftsprojekt nicht mehr wegzudenken. Dort nennt er sich "WIR-Prozess". Er bedient sich der von Scott Peck entwickelten Kommunikationsempfehlungen zur Gemeinschaftsbildung und verhilft uns zu einem klaren, bewussten, verantwortungs- und respektvollen Umgang miteinander.
Und so wird der Prozess auf der Homepage von Schloss Tempelhof beschrieben:
"Wir befinden uns in einer Zeit, die von Wandel und Veränderung geprägt ist. Antworten im alten Sinne taugen nicht mehr, vielmehr der Wille und der Mut mit den offenen Fragen zu leben und sich im Sinne Rilkes als Forscher in Neuland zu begeben, welches sich nur durch eine ehrliche und transparente Kommunikation erschließen lässt.
In diesem Sinne dient die Gruppe und der Gruppenkontext als Übungsfeld für eine Art radikale Subjektivität, die authentische Gemeinschaft und Verbundenheit jenseits von Erwartungen und Beurteilung erfahrbar werden lässt. Damit der Prozess sein ganzes Potential entfalten kann, braucht es von jedem von uns eine einzigartige Mischung aus wachsender Bewusstheit, Verantwortung und Hingabe: Wachsende Bewusstheit über das, was aus den Tiefen unseres Unbewussten in uns aufsteigen will, Verantwortung, uns mit dem, was in uns ist, zu zeigen und einzubringen. Die Fähigkeit der Hingabe braucht es, zur Annahme all dessen, was an Gefühlen, abgelehnten Gefühlen und Widerständen in uns und in anderen auftaucht. Dies alles ohne die Einladung oder Aufforderung einer Leitfigur, eines Lehrers, oder Therapeuten.
Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck geht davon aus, dass jeder Teilnehmer die Kompetenz von Führungs-, und Leitungsqualität in sich trägt und somit Teil einer Gruppe ist, die von Scott Peck „group of all leaders“ genannt wird. Lassen wir uns auf dieses Übungsfeld und seine Herausforderungen ein, erwächst uns neben der Zunahme an sozialer Kompetenz im heilsamen Umgang mit menschlichen Themen und Wandlungsprozessen auch das Vertrauen in kollektives Wissen, in emotionale Nähe und Verbundenheit und in die transformatorische Kraft einer ehrlichen und offenen Kommunikation.
Die verschiedenen Phasen, die innerhalb des Prozesses in unterschiedlichen Reihenfolgen auftauchen können, machen die normale gesellschaftliche Kommunikation schnell sichtbar:
In der Pseudoharmonie werden oft Geschichten erzählt, die üblichen angelernten Umgangsformen praktiziert oder „über“ jemanden gesprochen. Durch verschiedene Empfehlungen, z.B. „spreche von Dir – gehe nicht in Reaktion“ wird diese Art der Kommunikation offensichtlich und schnell unangenehm.
Damit beginnt meistens die Chaosphase: Die persönlichen Glaubensbilder können die dahinter verborgenen Emotionen (Wut, Zorn, Angst, Trauer) nicht mehr zurückhalten. Vorwürfe, destruktive Angriffe oder Übersprunghandlungen scheinen jegliche gemeinsame Entwicklung unmöglich zu machen. Hier wird dann die Empfehlung „bleibe bis zum Ende“ wichtig, denn unser Geist ist gewohnt unbekanntes Terrain durch Abbruch zu verlassen.
In Mitten des vollständigen Chaos kann dann in unterschiedlichen Facetten Leere auftauchen: Trostlos und schwer – und vielleicht später wie durchlässig werdend und in ein leichteres „Nichts mehr da, was wichtig wäre“ übergehend.
Wenn an diesem Punkt einzelne Menschen der Gruppe sich in unmittelbaren Impulserleben zeigen können – und seien diese noch so „ver-rückt“- kann sich ein Feld der authentischen Erfahrung für die ganze Gruppe öffnen. Dabei wird ein Geschmack dessen offensichtlich, was es heißt, dass „das Ganze (also die Gruppe) mehr ist, als die Summe ihrer Teile“. Gleichzeitig ist dieser Prozess nicht linear, kann also auch jederzeit anders verlaufen – es gibt keine festen Muster.
In der Regel wird der WIR-Prozess nur beim ersten Treffen oder bei Schwierigkeiten innerhalb bestehenden Gruppen begleitet. Die Aufgabe der Begleitung besteht darin, den geschützten Raum zu halten, gelegentlich Impulse zu geben oder auf Energieveränderungen hinzuweisen. Je nach Ablauf können dabei auch zeitliche Unterbrechungen, Kleingruppen, Körperarbeit oder andere Arbeitsmethoden vorgeschlagen werden. Der Begleiter/in wird gleichzeitig auch Teil des Gruppenprozesses sein – es gibt also nicht nur kein vorgeplantes „Programm“, es gibt auch keine Vorgaben für die Begleiter."